Stolpersteine

Zur ersten Stolpersteinverlegung in Gilserberg am 21. März begrüßten Bürgermeister Rainer Barth und Pfarrer Dierk Glitzenhirn ca. 70 Personen und bedankten sich bei allen, die durch ihr Zutun diese Veranstaltung ermöglichten.
Vor über 20 Jahren hat der Künstler Gunter Demnig mit der Verlegung der ersten Stolpersteine eine neue und ganz besondere Form der Erinnerungskultur begründet. Er hat im wahrsten Sinne des Wortes den Grundstein für diese Art des Gedenkens gelegt. Mittlerweile sind in über 1.000 Städten an die 105.000 Stolpersteine verlegt worden.

Mit den Stolpersteinen soll erinnert werden. Die Menschen, deren Familien unter der Nazi-Herrschaft auseinandergerissen und zu Nummern degradiert wurden, werden so an ihrem letzten frei gewählten Wohnsitz wieder zusammengeführt und bekommen ihre Namen zurück.
Erinnerung soll uns wachhalten, damit Ähnliches nie wieder passieren kann. Die Stolpersteine sind dafür besonders gut geeignet, weil Geschichte nur wirklich erfahrbar werden kann, wenn sie auf konkrete, einzelne Personen bezogen ist und ortsbezogen vermittelt werden kann. Für die Freiheit und Würde jedes einzelnen einzutreten, ist die Aufgabe von uns allen.

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Gunter Demnig beim Verlegen der Stolpersteine
Stolpersteine 5 
Bettina Range, Anja Nordmann, Norbert Graß
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Gunter Demnig
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Bürgermeister Rainer Barth

Die Gedenksteine haben eine Messingoberfläche auf der die Namen und biografischen Daten der Opfer, der Zeitpunkt der Deportation und der Deportationsort eingraviert sind. Seit 1996 setzt der Kölner Künstler Gunter Demnig diese zehn mal zehn Zentimeter großen Betonquader mit eingelassener Messingplatte in den Boden vor ehemalige Wohnhäuser und Wirkungsstätten von Opfern des Nationalsozialismus. Finanziert werden die Erinnerungsmale ausschließlich durch Spenden.

Vor dem ehemaligen Haus der Familie Stern in der Bahnhofstraße wurden von Gunter Demnig drei Stolpersteine verlegt.

Mit der ersten Stolpersteinverlegung in Gilserberg wollen wir erinnern an:

Louis Liebmann Stern, geboren 1879 in Gilserberg.

Louis Stern führte das väterliche Geschäft für Kolonial-, Manufaktur und Eisenwaren fort. Nach seiner Verhaftung 1936, starb er am 03. November 1938 in Frankfurt an den Folgen der Misshandlungen, die ihm während seiner Inhaftierung zugefügt wurden.

Ida Stern, geboren 1885 in Battenberg

Ida Stern gelang mit ihren Söhnen Hans und Gunter 1939 die Flucht in die USA. Sie starb am 09. Januar 1968 in Los Angeles.

Hans „John“ Stern, geboren 1923 in Marburg.

Hans Stern besuchte die Volksschule in Gilserberg, bis ihm dies 1933 aus rassistischen Gründen verboten wurde. Ab da wohnte er bei seiner Tante in Marburg, wo er auch die Schule besuchte. Zur Feier seiner Bar Mizwa 1936 kehrte er nach Gilserberg zurück. Über einen Kindertransport konnte er 1939 Deutschland verlassen, über Liverpool siedelte er 1940 schließlich in die USA über. Als Soldat kam er Ende des Krieges wieder nach Gilserberg. Er verstarb am 19. Dezember 2018 in seiner neuen Heimat USA.

Stolpersteine 8

Nach der Verlegung der Stolpersteine lud Familie Viehmeier in das Café des Schwälmer Brotladens ein. Dr. Jochen Führer vom Arbeitskreis Heimatgeschichte schilderte in seinem bilderreichen Vortrag das Leben der Juden in Gilserberg. Seine Ausführungen gründete er auf die Ausarbeitungen von Bernd Raubert (siehe Heimatvertriebene Nachbarn Band 2, 1993). Dr. Jochen Führer: „Indem wir uns öffentlich an die jüdischen Schicksale erinnern, bekunden wir unseren festen Willen, Ausgrenzung, Hass, Intoleranz und Antisemitismus in jeder Form zu widerstehen.“

Unter folgendem Link erhalten Sie weitere Informationen zur jüdischen Gemeinde in Gilserberg https://www.alemannia-judaica.de/gilserberg_synagoge.htm.

Im Anschluss wurde feierlich ein Gedenkstein vor dem Haus Bahnhofstraße 13 enthüllt. Hier stand die ehemalige Synagoge, nach dem Krieg wurde diese u. a. als Gemeindekindergarten und Apotheke genutzt. Ortsvorsteherin Anja Nordmann legte Blumen nieder und hielt eine kurze Ansprache: „Der Gedenkstein ist ein Zeichen der Erinnerung und der Mahnung, aber auch der Hoffnung und Verpflichtung für heute. Er möge das Fundament für eine gemeinsame Zukunft sein.“ Pfarrer Norbert Graß und Jugendpflegerin Bettina Range sprachen das Gebet „Die Meinen haben es getan“.


Bettina Range, Pfarrer Dierk Glitzenhirn, Dr. Jochen Führer, Bürgermeister Rainer Barth, Pfarrer Norbert Graß, Erste Beigeordnete Sigrid Herden, Ortsvorsteherin Anja Nordmann

GedenksteinVielen herzlichen Dank an den Natursteinbetrieb Hoffmann aus Sebbeterode, der den Gedenkstein und die Gedenktafel gestaltete und spendete.

Vielen herzlichen Dank auch an Heiko Bamberger (geb. Führer), der die Initiative ergriff und die Idee zur Stolpersteinverlegung an die Gemeinde herantrug. Nach einem Antrag der SPD-Fraktion in der Gemeindevertretung wurde die Verlegung der Stolpersteine von allen Fraktionen einstimmig beschlossen.

Vielen herzlichen Dank an Sigrid Herden und Rainer Wenzel, die die Veranstaltung musikalisch begleiteten.

Fotos: Tanja Finger (Gemeindeverwaltung Gilserberg)